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Frühe PC: IBM, Apple, Commodore

Foto: DPA/ IBM

30 Jahre IBM-PC Siegeszug der Wenigkönner

Klobig, hässlich, der Monitor viel zu klein, die Schrift grün auf schwarz: Sehen so Revolutionen aus? Aber sicher! Vor exakt 30 Jahren begann der Verkauf des ersten IBM-PC. Obwohl es anfangs für wenig zu gebrauchen war, revolutionierte das Gerät unseren Alltag - dank eines genialen Marketingtricks.

Es hatte gerade erst begonnen zu nieseln, ein feiner Wasserfilm setzte sich auf dem Gerät ab, das dort auf dem Bürgersteig lieblos abgelegt auf die Entsorgung wartete. "Jetzt komm schon!" rief Sarah, doch ich zögerte. "Warte mal", versuchte ich es, "hast Du überhaupt 'ne Ahnung, was das ist?"

Sie sah nur kurz herüber, als sie die Autotür aufschloss. "Schrott?"

So kann man das sehen. Es war Ende der Neunziger, und natürlich war die Kiste am Wegrand Schrott: Ein IBM 5150, ein Ungetüm von Früh-PC. Klobig, hässlich, mit einem winzigen Monitor, der einst grün strahlende Schrift auf schwarzem Grund gezeigt hatte und sonst nichts. Ein Wenigkönner ab Werk, ohne Festplatte, dessen Prozessor im wanderdünenhaft langsamen Takt von 4,77 MHz arbeitete - ein Produkt der digitalen Steinzeit. Aus heutiger Sicht würde man sagen: Das Ding war Schrott ab Werk.

Der 5150 konnte aus heutiger Sicht wenig, war dafür aber aus heutiger Sicht teuer, aus damaliger Sicht aber ein Schnäppchen: Die Grundversion kostete 1565 Dollar, in Deutschland aufgrund anderer Steuersätze ca. 5000 Mark. Nicht zuletzt aber war er einer der wichtigsten Auslöser für das, was wir heute unser digitales Zeitalter nennen. Der 5150 zwar durchaus nicht der erste Personalcomputer, aber der erste IBM-PC und damit der direkte Vorläufer aller Rechner, auf denen heute Windows läuft.

Für IBM war der ab dem 12. August 1981 verkaufte 5150 zunächst so etwas wie der Beweis, dass man es doch noch konnte. Das damals weltweit wichtigste IT-Unternehmen hatte in den Jahren davor völlig verpasst, dass gerade nicht nur eine private Nachfrage nach Computern keimte. Auch in Unternehmen entdeckte man, dass das Grundkonzept der riesigen, teuren Mainframe-Rechner nicht mehr zukunftsfähig war. Ausbaufähige, preiswertere und zumindest leidlich mobile Systeme, die man kombinieren, bei Bedarf erweitern konnte und für die man keine eigens gekühlten EDV-Räume bauen musste, waren im Kommen.

Die neue private wie geschäftliche Nachfrage bedienten junge Start-ups wie MITS (Altair 8800), Apple, Atari oder Commodore, die schon seit 1974 völlig unerwartete Verkaufserfolge feiern konnten.

Spielzeuge? Ja, aber vernetzte!

Die ersten Minicomputer-Modelle wie den Altair 8800 (1974) oder den Apple I (1975) hatte IBM noch als Spielereien abgetan: Für den Elektronik-Riesen waren das als Bausätze für nerdige Heimwerker verkaufte Schwindsucht-Rechnerchen ohne großes Marktpotential. Dann aber kam 1977 Commodores PET 2001, der erste echte PC, und kurz darauf der Apple II - und die sahen nicht nur nach Computern aus, sie waren auch zu etwas zu gebrauchen. Das Konzept des persönlichen Computers, des Arbeitsplatzrechners ohne Zentralrechner, ermöglichte nun auch kleineren Mittelständlern die "Elektronische Datenverarbeitung" (EDV). IBM war geschockt.

Noch waren solche PC zu teuer, um einen Privatmarkt nennenswerter Größe zu schaffen. In der Unternehmenswelt aber bewegten sie erhebliches: Es zeigte sich, dass sie nicht nur als Einzel-Arbeitsplatzrechner für Kleinunternehmen taugten, sondern dass längst auch die Netzwerk-Technik wartend bereitlag, um sie zu lokalen Netzwerken zu verbinden (Local Area Networks, LAN).

Bereits Anfang der Siebziger waren bei Xerox Steckkarten-basierte LAN-Module entwickelt worden, für die sich ab Mitte der Siebziger der Begriff Ethernet einbürgerte. Robert Metcalfe, einer der maßgeblichen Entwickler des Mitte der Achtziger dann freigegebenen Standards, roch 1979 seine Chance und machte sich mit dem Start-up 3Com selbstständig: Sein Ethernet adelte die von IBM anfänglich verlachten PC zu potenten Mainframe-Konkurrenten. So war in Deutschland der PET 2001 (und die auf seiner Architektur basierenden Nachfolgermodelle) zur Zeit der Markteinführung der IBM-PC in nur vier Jahren zum meistverbreiteten Computer-System im Business-Einsatz geworden. Diese Herrlichkeit sollte nun aber nicht viel länger andauern.

IBMs Trick: Konzept "verschenken", Markt aufrollen

Denn IBM kam auf einen genialen Marketingtrick, um sein technisches Konzept auf dem Markt durchzudrücken: Die Amerikaner legten die Grundkonstruktion ihres PC offen und schufen damit einen informellen Industriestandard, der bald mit dem Attribut "IBM-kompatibel" bezeichnet wurde. Der Hintergedanke war, dass möglichst viele Zulieferer lukratives Zubehör für den IBM-PC produzieren konnten - das erinnert an Apples aktuelle App-Strategie. IBMs Kalkulation ging auf, hatte aber Nebenwirkungen: Jeder konnte nun Maschinen nach gleichem Muster bauen, ausgestattet mit dem von IBM vorgegebenen Betriebssystem DOS (Disc Operating System) des damals noch winzigen Unternehmens Microsoft.

Der von Technik-Freaks als Wenigkönner verlachte IBM-PC rollte innerhalb kürzester Zeit Privat- wie Businessmarkt auf. Der Witz daran: IBM gelang es mit dieser Strategie auch, sich selbst aus der Geschäftswelt zu verdrängen. Preiswerte IBM-PC-Klone begannen schon bald, IBMs eigenen PC Konkurrenz zu machen.

Mac und Co. - der Kampf um die privaten "User"

DOS und der IBM-Standard boten anfangs weniger, als etwa Apple anzubieten hatte, das seine Rechnerkonzepte mit weit höherer Innovationsgeschwindigkeit fortentwickelte. Das offengelegte, auf standardisierte Bauteile abgestimmte IBM-Konstruktionsprinzip aber ermöglichte es kleinen Herstellern, deutlich billigere Rechner auf den Markt zu werfen.

Apple und Commodore gingen derweil ab Mitte der Achtziger gerichtlich gegen jeden vor, der Klone ihrer proprietären Techniken herstellte. Unter dem Strich verhinderten sie so, dass sie genug Masse erreichten: Sie unterschätzten die Rolle der Software-Plattform. DOS (und später Windows) wurde innerhalb kürzester Zeit zur Schnittstelle, mit der früher oder später jeder konfrontiert wurde. Die Macht der Gewohnheit trug den IBM-PC von den Büros auch in die Privathaushalte.

So war auch Commodores erstes, nur zwei Jahre lang verkauftes IBM-kompatibles Einsteigermodell PC-1 (1986) ein aus billigeren Materialien zusammengeschraubter Klon des 5150. Schnell ließ Commodore den PC 10 folgen, der den IBM-PC (jetzt das Modell "XT" mit 10-Megabyte-Festplatte!) zur Grundausstattung des Studenten machte. Trotzdem war auch Mitte der Achtziger noch nicht ausgemacht, wer den PC-Markt tatsächlich aufrollen würde.

Apple hatte 1983 mit dem Modell Lisa die grafische Benutzerführung eingeführt, der Macintosh von 1984 trug sie als erster Rechner erfolgreich in den Markt - trotz eines Verkaufspreises von nahezu 10.000 Mark. Damit war Apple für die nächsten zwanzig Jahre auf Schiene gebracht: Die Rechner des Konzerns galten nun als innovativ, aber exklusiv, weil immer deutlich teurer als die der Konkurrenz. Bereits seit 1982 hatte Commodore mit dem C64 ein Eisen im Feuer, das für anfänglich 1495 Mark verkauft weit bessere Chancen hatte, den Weg bis in Privatwohnungen zu finden. Der bis 1994 (!) verkaufte C64 gilt bis heute als meistverkaufter Rechner der Welt.

Hausinterne Konkurrenz

Auch sein Konzept war ein Anwärter dafür, zum Privat-PC-Prototyp zu werden. Doch Commodore entwickelte das Gerät kaum weiter, setzte stattdessen auf eine mehrgleisige Strategie: Neben dem C64 und einer wachsenden Zahl von IMB-PC-Typen ließen die Amerikaner 1985 auch noch die Amiga-Plattform folgen. Die glänzte wie Apples Rechner mit einer grafischen Benutzerführung - und das nun auch farbig! Schnell wurde der Amiga zum größten Konkurrenten des C64 - Commodore machte sich mit Vorliebe hausintern Konkurrenz.

Der Markt differenzierte sich aus. Der C64 besetzte die Spielzeug-Schiene, der Amiga begeisterte Sound-Bastler und Studenten, die ihre Semesterzahl daddelnd erhöhten. Apple begann einen Siegeszug unter Grafikern, spätestens nachdem 1988 die Software Photoshop exklusiv für den Mac auf den Markt kam. Otto Normalverbraucher aber entschied sich auch privat zunehmend für den IBM-PC: Den kannte man nun aus dem Arbeitsleben, seine Architektur und Programme wollte man auch privat nutzen. Zudem wurde er immer billiger.

Die Masse macht's

Den Markt gewann so die technische Plattform, die am wenigsten auf die Bedürfnisse von Privatnutzern abgestimmt schien. Es war auch darum der Beginn einer Hass-Liebe: Nie funktionierten die Kisten so, wie man es wollte. Entertainment-Inhalte wie Spiele waren auf dem Arbeitswerkzeug IBM-PC allenfalls mittelprächtig zu nutzen. Seine Manie, Texte und Arbeitsergebnisse immer wieder im digitalen Nirvana zu versenken, wurde sprichwörtlich. Besonders nach Einführung der (kaum verbreiteten) ersten Windows-Version 1985 wurde der "Blue Screen" zum Symbol der nervtötenden Schwächen des Systems. Erst Windows 3.0 (1990) galt als einsteigerfreundlich, hatte aber kaum weniger Macken.

In Rückschau findet man wenig mehr als Preisgründe, warum wir Verbraucher uns ausgerechnet dafür entschieden, ein Arbeitsgerät in unser Privatleben zu lassen. Die ersten zweieinhalb Jahrzehnte der PC-Ära wurden so von Produkten dominiert, für die man Spezialkenntnisse brauchte, die selten reibungslos funktionierten und uns auch damit nervten, dass sie ständig von der Zeit überholt wurden. Noch heute verlangen Computer nach "Einarbeitung": Anders als bei anderer Unterhaltungs- und Arbeitselektronik müssen wir ungewöhnlich viel lernen, um den PC zu beherrschen.

Erst der durch Apple initiierte Boom der App-basierten Smartphones und Tablets scheint das nun zu ändern. Die PC-Welt (im weitesten Sinne) scheint sich einmal mehr auszudifferenzieren: In eine verbraucherorientierte, leicht nutzbare, eher dem Entertainment gewidmete Alltagstechnik einerseits und die wieder mehr der Arbeit zugeordnete PC-Technik andererseits. Für den "IBM-kompatiblen" PC ist das eine Rückkehr zu den Wurzeln. Seiner historischen Wichtigkeit tut das keinen Abbruch: Erst der IBM-PC hat den Hunger der Masse auf digitale Technik geweckt und sie erschwinglich gemacht.

Den IBM 5150, den ich Ende der Neunziger am Straßenrand fand, hatte sich schon jemand anders geholt, als ich kurz darauf zurückkam. Hässlich und heute nutzlos haben solche Kisten für viele von uns steigenden sentimentalen Wert.

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