Nicht weit entfernt von der Sehenswürdigkeit Ponte Vecchio liegt das aufstrebende Viertel um die Piazza Santa Maria Novella. (Bild: Patricia Engelhorn)

Nicht weit entfernt von der Sehenswürdigkeit Ponte Vecchio liegt das aufstrebende Viertel um die Piazza Santa Maria Novella. (Bild: Patricia Engelhorn)

City Guide

Früher kamen weder Einheimische noch Touristen freiwillig hierher. Heute ist es das Trend-Viertel von Florenz

Patricia Engelhorn Reisen
Santa Maria Novella – der Platz, die Kirche, das ganze Viertel – stand lange im Abseits der Sehenswürdigkeiten von Florenz. Dann wurde die Piazza neu gestaltet, und jetzt soll dort ein neuer Kultur-Hub entstehen.

Fragt man die Verkäuferin am Zeitungskiosk auf der kleinen Piazza degli Ottaviani, wie es früher in ihrer Nachbarschaft aussah, verdreht sie die Augen. «Un casino», sagt sie – chaotisch. Das ist nett ausgedrückt. Der Platz vor der schönen Basilika war mit kreuz und quer parkierten Autos zugestellt und vor allem als Umschlagplatz für Drogen bekannt. Die alten Palazzi wirkten ungepflegt und die angrenzenden Strassen düster. Weder Einheimische noch Touristen kamen freiwillig hierher.

Tempi passati. Die Piazza Santa Maria Novella wirkt wie neugeboren und mit ihr das ganze Viertel. Zu verdanken ist das einem grossangelegten Renovierungsprojekt, das vor gut zehn Jahren abgeschlossen wurde und den nur wenige Minuten vom Dom, dem Arno und der Edel-Shoppingmeile Via de’ Tornabuoni gelegenen Platz in eine verkehrsberuhigte Stadtoase mit Grünflächen, Sitzbänken und freiem Wi-Fi verwandelt hat. Jetzt treffen sich Anwohner zum Café, Touristinnen und Touristen fotografieren die imposante Basilika, und Arbeiter machen hier Mittagspause. Es ist friedlich, ruhig, angenehm normal.

Santa Maria Novella

Das Highlight der Piazza Santa Maria Novella ist die mächtige Basilika mit ihrer schönen, aus grünem und weissem Marmor gearbeiteten Renaissance-Fassade, die zwischen 1456 und 1470 nach einem Entwurf des Florentiner Architekten Leon Battista Alberti entstanden ist. Im Inneren befinden sich ein grosses GIOTTOKRUZIFIX aus dem 13. Jahrhundert, sowie eine prächtige Marmorkanzel von Brunelleschi aus dem 15. Jahrhundert und ein gleich altes Fresko von Masaccio, das einen Nebenaltar schmückt.

Die wenig ruhmreiche Vergangenheit des Santa-Maria-Novella-Viertels hat nämlich auch ein paar Vorteile: Nicht jeder Metzger, Schreiner oder Buchhändler wurde durch einen teuren Schuhladen ersetzt, einfache Supermärkte blieben ebenso erhalten wie Reinigungen, Autowerkstätten und altmodische Friseursalons. Dazwischen haben sich nach und nach hübsche Cafés und Designerläden eingerichtet, schicke Hotels wurden in restaurierten Altstadt-Palazzi eröffnet.

«Für uns war schon seit Jahren klar, dass dieser Stadtteil Potenzial hat», sagt Christoph Hoffmann, Mitbegründer der 25hours Hotels, die ihr jüngstes Haus vor wenigen Wochen gleich um die Ecke der Piazza Santa Maria Novella eröffneten. «Wir sind hier mitten in der historischen Altstadt, dabei nicht weit vom Bahnhof entfernt und in einem Viertel, das noch nicht vollkommen luxussaniert und gentrifiziert wurde.»

Via de’ Tornabuoni

Es sind nur ein paar Schritte von der Piazza Santa Maria Novella bis zur Shopping-Meile Via de’ Tornabuoni, und doch ist dies eine andere Welt. Neben allen Big Names der globalisierten Mode gibt es auch ein paar echte Florentiner Highlights: die Bar Procacci mit ihren Trüffelbrötchen, die Parfümerie Officina de'Tornabuoni mit edler Naturkosmetik, den Ferragamo Flagshipstore mit hauseigenem Schuhmuseum und den Palazzo Strozzi mit seinem Kulturzentrum. Noch bis 30. Januar 2022 ist dort eine grosse Jeff-Koons-Ausstellung zu sehen.

Tatsächlich ist die Neugestaltung der Piazza Santa Maria Novella noch gar nicht abgeschlossen. Nach Willen des Bürgermeisters Dario Nardella soll der Platz zu Europas grösstem Kultur- und Kreativzentrum mit weiteren Ausstellungsflächen, Künstlerateliers, Bibliothek, Kino und diversen Veranstaltungsmöglichkeiten werden. «Wir wünschen uns einen Ort, der verschiedene Generationen, Künstler und Touristen anlockt», sagt er. Das dürfte mit dem zugesagten 20-Millionen-Euro-Budget und einer höchst attraktiven Mischung aus alt und neu, ursprünglich und zeitgeistig, einfach und anspruchsvoll problemlos gelingen.

Die Top-Adressen in Santa Maria Novella:

Ein Tag im Leben von

VIVIAN SASKIA WITTMER, SCHUHMACHERIN UND INHABERIN VON SASKIA SCARPE SU MISURA.

Meine Werkstatt befindet sich im Santa-MariaNovella-Viertel, und am Morgen ist das Caffè Gamberini meine erste Station. Die Patisserie ist köstlich und die Auswahl wirklich schwer. Ich nehme meist eine Apfeltasche und trinke einen Espresso dazu. Gleich um die Ecke beginnt der Borgo Ognissanti, eine untouristische Strasse mit netten Läden. Zu den besonders traditionsreichen zählt Grazia Giachi: Ganz egal ob Tischdecke, Bettlaken oder Lingerie – alles ist handgefertigt, hochwertig und elegant. Nicht weit entfernt bietet die Cioccolateria Ballerini hausgemachte Pralinen an. Meine Favoriten sich die mit Zartbitterschokolade überzogenen Orangenstäbchen, ich verschenke sie auch gerne. Wenn ich ein besonderes Geschenk suche, gehe ich zu Giuseppe Fanara. Seine Schüttelportemonnaies oder Visitenkarten-Etuis sind aus feinem Leder und werden mit den Jahren immer schöner.