Auf Achse: Honda VF 500 F II und Yamaha RD 500 LC
Extrem-Sportler

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Anfang 1984 wetzten Honda VF 500 F II und Yamaha RD 500 LC die schärfsten Klingen in der Mittelklasse. Mit leistungsstarken V4-Motoren und geringem Gewicht warfen die beiden Halbliter-Supersportler sogar den etablierten Big Bikes den Fehdehandschuh hin.

Extrem-Sportler
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Erinnern Sie sich noch an den Radikalenerlass von 1972? Wegen dieser Direktive von Bundeskanzler Brandt und den Länder-Regierungschefs drohte in den 1970ern jedem Beamtenanwärter, der mal eine rote Fahne geschwenkt hatte, das Ende der Laufbahn. Zum Glück blieb die Motorradszene von ähnlichen Bestrebungen verschont.
Sonst wären unsere beiden Maschinen hier wohl kaum in Serie gegangen. Denn bei ihrem Debüt Anfang 1984 galten Honda VF 500 F II und Yamaha RD 500 LC als ambitionierte Revoluzzer, die mit viel Leistung und wenig Gewicht die gewohnte Hackordnung in der Motorradszene durcheinanderwirbelten. Mit knapp über 200 Kilogramm und Literleistungen von 140 PS (Honda) sowie sagenhaften 176 PS bei Yamahas Zweitakt-Rakete waren die damals stärksten Halblitermaschinen eine ernsthafte Bedrohung für die Big Bikes.

Sowohl die Honda VF 500 F II als auch die Yamaha RD 500 LC machten keinen Hehl daraus, wo ihre Wiege stand: auf der Rennstrecke. Die Yamaha wirkte mit aggressiver Kriegsbemalung und sägendem Zweitakt-V4 tatsächlich wie ein direkter Abkömmling von Kenny Roberts‘ GP-Renner. Ein Anarchist auf zwei Rädern, dessen Zweitaktfahnen nicht nur für das erste zarte Grün der politischen Landschaft eine Provokation darstellten, sondern auch fürs brave Bürgertum. Mitunter reichte schon der morgendliche Kaltstart, um die Toleranzgrenzen der Nachbarschaft aus dem Stand in den roten Bereich zu jagen.
In dieser Hinsicht gab sich die Honda viel zurückhaltender. Auch ihr Äußeres war weniger auf Krawall gebürstet, obwohl die Marketingabteilung in den Anzeigenkampagnen mit Begriffen wie Rennerfahrung, Leistungsausbeute oder Supersport-Technologie nur so um sich warf. Ein Blick auf das Cockpit genügte, um zu erkennen, wie die Honda VF 500 F II den Leitspruch „Technologie schlägt Hubraum“ umzusetzen gedachte: mit Drehzahlen bis 12000/min, hierzulande ein Rekordwert für Serienmotorräder.

Unsere Highlights

Superlative offenbarten ebenfalls die Preislisten: Mit 11188 Mark distanzierte Yamahas 500er nicht nur die Honda VF 500 F II (9618 Mark), sondern auch viele Hubraum-Boliden. Diese stolzen Summen versuchten die teuersten Serien-500er mit allen technischen Gimmicks zu rechtfertigen, die damals angesagt waren: So rotierten hier wie dort 16-Zoll-Vorderräder zwischen den Gabelholmen. Letztere besaßen zudem ein Anti-Dive-System, um starkes Eintauchen der Front beim Bremsen zu minimieren. Der gängigen Mode folgten beide außerdem bei den Fahrgestellen mit Doppelschleifenrahmen aus Vierkantstahlrohren sowie Zweiarmschwingen (bei der VF 500 F aus Aluguss) mit Zentralfederbein. Honda setzte bei den Federelementen vorn und hinten auf Luftunterstützung, die Yamaha kam dagegen ohne aus. Mit Ausnahme des Arbeitsprinzips der Motoren und der Verpackung hatten die beiden V4-Halbliter-Renner also viel mehr gemeinsam, als es auf den ersten Blick den Anschein hatte.

Trotz dieser Gemeinsamkeiten verliefen die Karrieren der beiden Leicht-Athleten allerdings konträr. Während die Yamaha in der ein Jahr später präsentierten Suzuki RG 500 Gamma zunächst ihren Zweitakt-Meister fand und in der Folge wie diese zum Kult-Bike und gesuchten Sammlerstück avancierte, fristet Hondas einstiges V4-Techno-Krad heute ein Dasein am Rande der Wahrnehmung. Meist als billiges Fortbewegungsmittel im verlebten Zustand, gute und originale VF 500 F/F II sind die absolute Ausnahme. Dass die Honda kaum Liebhaber um sich scharen konnte, liegt nicht nur am etwas zweifelhaften Ruf wegen gebrochener Kurbelwellen bei einigen frühen Modellen und den Problemen der hubraumstärkeren V4-Schwestern, sondern vor allem am fehlenden Nimbus der Einzigartigkeit, den die RD 500 mit ihrem Vierzylinder-Zweitakter schon seit dem Start besitzt.

Halt, Einspruch: Auch eine Honda VF 500 F II ist ein ganz besonderes Motorrad! Wo, bitteschön, gibt es heute einen V4 in der Mittelklasse? Höchste Zeit, eine Lanze für die VF 500-Modelle mit ihrem prachtvollen und charakterstarken Antrieb zu brechen. Bevor die letzten guten Exemplare in die Hand von Schnäppchenjägern fallen und dort als billiges Fortbewegungsmittel einem unwürdigen Ende entgegenfahren. Bei unserem Fotomodell besteht die Gefahr nicht mehr, es steht seit Kurzem in meiner Garage. Die Liaison ist allerdings so frisch, dass mein Blick auf die Honda noch nicht durch die rosa Brille getrübt ist - die Ausfahrt mit der Yamaha RD 500 sind die ersten Kilometer mit ihr. Wie oft am Beginn einer neuen Beziehung fährt deshalb noch ein Gefühl der Unsicherheit mit, das einen suchen und abwägen lässt, ob es tatsächlich eine auf Dauer werden kann.

Mit solchen Gedanken beschäftigt sich Manuel Wahl schon lange nicht mehr, er hat seine Yamaha RD 500 LC bereits vor einigen Jahren gefunden. Es ist ein US-Modell, im typischen Yamaha-Racing-Design, das er gerade erst technisch und optisch auf Vordermann gebracht hat. Na prima, dann kann unsere Zeitreise ja beginnen.

Honda VF 500 F mit hoher Laufkultur

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Im Herbst ihrer Karriere zeigen die einst sportlichsten Halbliter-Maschinen, was sie noch drauf haben.

Ein Tritt auf den sehr hoch angebrachten Kickstarter genügt, und der kalte Yamaha-Vierzylinder erwacht zum Leben. Mit viel Getöse und noch mehr Rauch hustet die RD ihren Unmut in die Luft. Völlig unspektakulär startet dagegen der Honda-V4, gefällt sofort mit sauberer Gasannahme. Während Manuel seinen Nebelwerfer mit dosierten Gasstößen noch zur Arbeit überreden muss, kann ich es nicht mehr erwarten, nehme mit meiner Neuerwerbung die ersten Meter unter die frisch besohlten Räder. Läuft die Honda jetzt, nach mehrmaligem Säubern und peniblem Einstellen der Vergaser, endlich rund? Ja! Ich bin erleichtert. Und überrascht, mit welcher Selbstverständlichkeit dieser hochgezüchtete Motor untenrum anschiebt. Sanft, aber nachdrücklich zieht die 500er los, rasch sind die Gänge des ausgesprochen geschmeidig schaltenden Sechsganggetriebes durchgesteppt. Selbst in der höchsten Stufe gleitet die Honda leise grummelnd schon mit 2000 Touren ohne Murren oder Verschlucken voran. Auffällig dabei ist alleine die Unauffälligkeit des mechanisch sehr ruhig und vibrationsarm laufendenen Vierzylinders - sieht aus, als könnte es was werden mit uns beiden.

Wäääng, Manuel zieht vorbei, die Yamaha RD 500 LC ist jetzt ebenfalls aufgewacht. Wir gönnen uns und den Triebwerken jedoch noch etwas Schonzeit, es ist kühl an diesem herrlichen Oktober-Morgen. Die Honda macht es einem leicht, mit ihr warm zu werden. Man sitzt angenehm aufrecht auf der zierlichen Maschine, nur Große müssen ihre Beine ganz schön zusammenfalten. Schon im Bummelmodus zeigt sich das spielerische Handling der Honda VF 500. Ohne Kraftaufwand lässt sie sich mit ihren schmalen Reifen durch die engen Kurven der bunt gefärbten Weinberge dirigieren. Kein Kippeln, kein plötzliches Aufstellmoment beim Bremsen, die Honda fährt neutral und hält sauber die angepeilte Linie, was bei 16-Zoll-Vorderrädern keine Selbstverständlichkeit ist. Vorausgesetzt, der Pilot selbst bringt keine Hektik ins Spiel.

Die Honda VF 500 II reagiert nämlich so empfänglich auf Lenkimpulse und Gewichtsverlagerungen, dass man sich auf einer viel leichteren Maschine wähnt. Neben der angepeilten Linie scheint es für die Honda immer noch eine zweite oder dritte zu geben, die passen würde. Hat man sich auf das superhandliche Fahrverhalten eingeschossen, flitzt sie bemerkenswert stabil durch die Radien, selbst Bodenwellen bringen sie dabei nicht vom Kurs ab. Sowohl Gabel als auch das Prolink-Zentralfederbein arbeiten tadellos, was hier wohl auch an der geringen Laufleistung der VF von gerade mal 3500 Kilometern liegt.

Die Sonne klettert höher, die Kühlwasseranzeige ebenso. Jetzt, gut aufgewärmt, darf der V4 zeigen, was in ihm steckt. Drosselklappen auf Durchzug, und mit einem zornigen „Wrooar“ aus der Airbox unterm Tank stürmt die 500er vorwärts. Blitzschnell dreht der mit geringen Schwungmassen versehene Motor hoch, holt zwischen 5500 und 6500 Touren nochmal tief Luft, um danach mit dumpfem Grollen völlig ungehemmt bis in den roten Bereich bei 12000/min zu jubeln. Nächster Gang, das gleiche Spiel. Was für ein Spaß, den herrlich am Gas hängenden, voluminös klingenden V4 über der 8000er-Marke zu halten und mit Schmackes aus den Kurven herauszubeschleunigen. Dank der angenehm gleichmäßigen und ruckfreien Leistungsabgabe kann man auch in Schräglage berechenbar am Kabel ziehen.

Ein Motor also, der gefordert werden will, aber niemals überfordert. Im Zusammenspiel mit dem agilen Fahrwerk und den gut dosierbaren, erstaunlich wirksamen Bremsen ergibt das noch immer eine starke Kombination für enge Landsträßchen, auf denen die Honda VF 500 F II sogar moderneren und stärkeren Bikes das Rücklicht zeigen kann. Ein Extrem-Sportler, der in fast allen Disziplinen des Motorradalltags zu Hause ist und mit Hauptständer sowie Staufächern sogar einen Sinn fürs Praktische offenbart.tpreise so etwas wie einen Radikalenerlass geben?

Yamaha RD 500 LC mit zwei Gesichtern

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Nicht nur von vorn wirkt die Yamaha deutlich massiger als die zierliche Honda.

Den sucht man bei der Yamaha RD 500 LC vergeblich. Wie überhaupt alle Attribute, die im Alltag bedeutsam sein könnten. Auf einen Zweitakt-Grünschnabel wie mich wirkt die Yamaha RD 500 LC tatsächlich wie ein radikaler Extremist, mit einer fast schon verstörenden Kompromisslosigkeit. Manuel grinst nur, als er mir den Schlüssel in die Hand drückt. Mir ist es erst einmal vergangen, jetzt ist volle Konzentration gefordert. Meine Güte, wie das Ding im Stand mahlt und klappert, dazu das blecherne Sägen aus den vier Auspuffbirnen. Hört sich an, als ob sämtliche Innereien des Zweitakt-V4 mehr gegen- als miteinander arbeiten würden. Im Moment arbeiten sie überhaupt nicht mehr. Blöder Anfängerfehler, bei 3000 Touren geht eben nichts ohne schleifende Kupplung. Ich bin froh, dass ich gerade Manuels Gesicht nicht sehe, sein breites Lachen kann ich mir schon vorstellen. Nicht jedoch, was die Faszination einer Yamaha RD 500 LC ausmachen soll. Ehrlich, in der Stadt ist die Yamaha eine Zumutung, sie bockt, sie qualmt und will mit Kupplungsunterstützung von Ampel zu Ampel gequält werden. Unglaublich, dieser lange erste Gang, bei Tempo 50 steht die Drehzahlmessernadel bei 3500 Touren - der Wohlfühlbereich des Zweitakters beginnt aber erst bei 5000/min!

Also nichts wie raus hier, bevor die Kerzen verrußen und meine Hände einschlafen. Auf der RD sitzt man versammelter und mehr nach vorn orientiert als auf der Honda, ganz so, wie es sich Roberts & Co wünschten. Mein Wunsch nach einer freien Bahn geht endlich in Erfüllung. Zweiter Gang, 4000 Umdrehungen, 5000 und - Mannomann, was passiert jetzt? Schlagartig strafft die Yamaha die Zügel, verändert den Tonfall und schießt mit einem brutalen Kick vorwärts, dass ich erschrocken den nächsten Gang reinklopfe. Also, noch mal das gleiche Spiel: übersichtliche Gerade, zweiter Gang, los geht‘s.

Und wie. Sobald die Drehzahlmessernadel über die 6000er-Marke streicht, vollzieht die Yamaha RD 500 LC eine komplette Wesensänderung. Schlagartig ist jede Unwilligkeit verflogen, arbeiten Wellen, Zahnräder, Servomotor und Auslasswalzen perfekt zusammen, setzt die Yamaha ihre Leistung explosionsartig frei. Dabei betört sie mit einer Klangkulisse aus bassigem Ansauggeräusch und hellem Auspuffsingen, die süchtig macht. Hinzu kommt eine frappierende Geschmeidigkeit bei hohen Drehzahlen, all die mechanischen Geräusche und Vibrationen sind wie weggezaubert. Ebenso meine Zweifel bezüglich der Faszination dieses Zweitakt-Kraftpakets. In emotionaler Hinsicht ist die RD wirklich der Hammer, ihre Fahrdynamik geradezu atemberaubend. Ein himmlisches Fahrgefühl, mit dem man jedoch nur belohnt wird, wenn man bereit ist, dafür durch die Hölle zu gehen. Und zwischen diesen Extremen liegen bei der Yamaha RD 500 LC nur ein paar Hundert Umdrehungen.

Mit ihrer Alles-oder-Nichts-Haltung stellt die Yamaha RD 500 LC im Alltag eine echte Herausforderung dar. Sie ist eigentlich kein Extrem-Sportler, sondern ein Sportler, der nur Extreme kennt. Will man die wirklich im normalen Straßenverkehr ausloten? Langgezogene Kurven liegen der spurstabilen RD jedenfalls mehr als enge Ecken, wo der schmale Hinterreifen wegen der überfallartig einsetzenden Leistung öfter vergeblich um Haftung kämpft. Außerdem fährt sich die schwerere Yamaha kippeliger, erreicht nicht die Neutralität der Honda, wenngleich die aufgezogenen Bridgestone BT 45 - wie bei der Honda VF 500 - auch bei der RD die Aufstellneigung beim Bremsen mildern. Dennoch, auf der RD muss der Pilot mehr arbeiten. Mit der Kupplung, beim Einlenken, beim Bremsen. Für so einen bissigen Antrieb wirken die innenbelüfteten Stopper zudem recht zahnlos.
Was nichts am extrem hohen Unterhaltungswert der Yamaha ändert, der ganz klar vom Motor geprägt wird. Bei der Honda ist es dagegen der extrem breite Einsatzbereich, der beeindruckt. Reisen oder Rasen, die VF 500 F II hat alles drauf. Nur nicht diesen Kick der Yamaha RD 500 LC jenseits der 5000er-Marke, der mir nicht mehr aus dem Kopf gehen will.

Im Detail: Honda VF 500 F II

fact
Kaufpreis der Honda VF 500 F II im Jahr 1984: 9618 Mark.

Technik
Kleiner Hubraum, großer Aufwand – nur so schafften es die Honda-Ingenieure, dem kompakten Halbliter-V4 eine Spitzenleistung von 70 PS zu entlocken. Damals, 1984, war das ein Rekordwert bei den 500ern. Klar, dass der nur mit hohen Drehzahlen möglich war. Um diese zu erreichen und gleichzeitig die mechanische Belastung zu minimieren, mussten die Entwickler bei allen beweglichen Bauteilen an die Gewichtsgrenze gehen, ohne Einbußen bei der Haltbarkeit in Kauf zu nehmen. Das gelang nur mit Hilfe des Computers. Ergebnis: extrem schlanke Pleuel und leichte Aluguss-Kolben mit sehr kurzen Schäften und Wandstärken im Bereich des Kolbenhemds von teilweise nur noch 0,8 Millimetern. Weniger Reibung und präzisere Steuerzeiten versprachen überdies Duplex-Steuerketten für die insgesamt vier oben liegenden Nockenwellen. Diese betätigen die jeweils vier Ventile pro Zylinder über wartungsfreundliche Gabelschlepphebel mit zwei Einstellschräubchen. Im Aufbau ähnelt der flüssigkeitsgekühlte Halbliter-Motor (Verdichtung 11:1) weitgehend den anderen 90-Grad-V-Triebwerken der VF-Familie. Auch beim 500er rotiert somit eine kurze, steife Kurbelwelle in Gleitlagern mit zwei um 360 Grad versetzten Hubzapfen, an die je zwei Pleuel angreifen. Massenkräfte erster Ordnung heben sich so auf. In den eingegossenen Graugusslaufbüchsen, die keine Abstützung zum äußeren Zylindermantel besitzen (Open-Deck-Prinzip), legen die Kolben (60 Millimeter Bohrung) einen Weg von 44 Millimetern zurück - ergibt bei der Nenndrehzahl von 11500/min eine unbedenkliche mittlere Kolbengeschwindigkeit von nicht einmal 17 Meter pro Sekunde. Die Brennräume mit je einer zentralen Zündkerze werden von vier 29er-Keihin-Schrägstromvergasern gespeist, die Kraft von einem klauen-geschalteten Sechsganggetriebe portioniert. Beim Fahrgestell folgt die Honda VF 500 F II der damals gängigen Mode: Vierkant-Doppelschleife aus Stahl, 16-Zoll-Vorderrad, Zentralfederbein und Gabel mit Anti-Dive-System.

Checkpunkte
Aufgrund eines Bearbeitungsfehlers konnten bei frühen 1984er-Modellen die Kurbelwellen brechen (Fahrgestellnummern 2001006 bis 2001426 und 4000114 bis 4000193). Gehört die in Frage kommende Maschine zu diesen Serien, überprüfen, ob sie damals umgerüstet wurde. Ansonsten gilt der hierzulande kleinste V4 der VF-Familie trotz seiner filigranen Technik als durchaus robust, wenn er entsprechend behandelt wird. Dazu zählt insbesondere das behutsame Warmfahren. Rabiates Kaltstartheizen rächt sich jedoch auch bei der 500er häufig in Gestalt von Ausbrüchen an den Nockenwellen (Pitting), zumal die Ölversorgung des Ventiltriebs ab Werk (langer Weg, kaum Druck) nicht optimal gelöst ist. Thermisch ist der kleine V4 weniger empfindlich als die 750er- und frühen 1000er-Varianten. Beim Fahrgestell haben sich neben den üblichen Verschleißteilen vor allem korrodierte Gleitbuchsen der Schwimmsattelbremsen als Schwäche herauskristallisiert. Bekannt sind aber auch durchgerostete Rahmenunterzüge, weil ab Werk Ablaufbohrungen vergessen wurden.

Markt
Der angeknackste Ruf der gesamten VF-Baureihe schlägt sich in Dumpingpreisen nieder. Richtig gute und originale VF 500 F/F II sind heute ohnehin die absolute Ausnahme, doch selbst solche Exemplare bringen selten über 2500 Euro. Der Aufbau einer verlebten VF 500 lohnt kaum, Ersatzteile sind teuer, vieles ist mittlerweile zudem nicht mehr lieferbar.

Spezialisten
Alex Nolte in Nürnberg ist der Einzige, der sich noch intensiv mit Hondas VF-Modellen beschäftigt. Neben seinem Umbaukit zur Verbesserung der Ölversorgung hat er noch viele weitere Teile auf Lage. Infos unter www.maniacmotors.de

Daten (Typ PC12)
Motor: Wassergekühlter Vierzylinder-Viertakt-V-Motor, je zwei obenliegende Nockenwellen, vier Ventile pro Zylinder, über Schlepphebel betätigt, Hubraum 498 cm³, Leistung 51 kW (70 PS) bei 11500/min
Kraftübertragung: Mehrscheiben-Ölbadkupplung, Sechsganggetriebe, Kettenantrieb
Fahrwerk: Doppelschleifenrahmen aus Vierkant-Stahlrohren, Telegabel, Ø 37 mm, Zweiarmschwinge aus Alu-Guss, Zentralfederbein, Comstar-Verbundräder, Reifen 100/90 H 16 vorn, 110/90 H 18 hinten, Doppelscheibenbremse vorn, Ø 255 mm, Scheibenbremse hinten
Maße und Gewicht: Radstand 1420 mm, Gewicht vollgetankt 206 kg
Vmax: 201 km/h

Im Detail: Yamaha RD 500 LC

fact
Kaufpreis der Yamaha RD 500 LC im Jahr 1984: 11 188 Mark.

Technik
Es war natürlich kein Zufall, dass sich die Yamaha-Entwickler am Image-trächtigen Konzept der OW71-GP-Rennmaschine orientierten, mit der Kenny Roberts 1983 die Vizeweltmeisterschaft erringen konnte. Ein direkter Abkömmling war der 65 Kilogramm schwere Zweitakt-V4 der zivilen RD 500 LC allerdings nicht, wenngleich die Einbaulage, der Zylinderwinkel von 50 Grad, das Sechsgang-Kassettengetriebe sowie die äußere Erscheinung darauf schließen lassen. Im Gegensatz zur OW71 besitzt das Serien-Triebwerk eine Ausgleichswelle, außerdem fallen hier die Steuerzeiten wesentlich zahmer aus, und beim Motorgehäuse kommt ausschließlich Aluminium statt teurer Magnesiumlegierungen zum Einsatz. Dennoch beherbergt das in der Kurbelwellenebene geteilte Gehäuse der zivilen RD viele Highlights. Beispielsweise die beiden gekoppelten, vierfach kugelgelagerten Kurbelwellen, die wegen des Zweitaktprinzips auch bei der V-Anordnung notwendig sind, um vier getrennte Kurbelkammern zu ermöglichen. Theoretisch könnte man diese Konfiguration auch als Verbindung zweier unabhängiger Zweizylinder-Motoren ansehen. Oder, wie Yamaha eben, von einem V4 sprechen. Die Koppelung erfolgt auf der rechten Seite über gerade verzahnte Stirnräder, die mit dem Primärzahnrad auf dem Kupplungskorb so synchronisiert werden, dass die Hubzapfen jeweils um 180 Grad versetzt sind, sich somit die diagonal gegenüberliegenden Kolben im gleichen Takt befinden.

Zwischen den Kurbelwellen rotiert die von der unteren angetriebene Ausgleichswelle. Wegen der Enge im Vau nehmen nur die oberen Zylinder die Membraneinsätze direkt auf, die unteren sind im Motorgehäuse integriert. Das erfordert asymmetrische Kolben mit oberen Fenstern und geschlossenem Schaft sowie eine angepasste Kanalführung. Die Zylinder (BxH 56,4 x 50 mm) besitzen dünnwandige Schleudergussbüchsen mit geteiltem Einlassschlitz (nur oben), fünf Spülschlitzen und dem Auslassschlitz, dessen Durchmesser von den Walzen des Power-Valve-Systems via Steuereinheit und elektrischem Stellmotor über desmodromische Seilzüge und ein Synchrongestänge betätigt werden. Dieser Servomotor regelt überdies, zusammen mit der Gasgriffstellung, die Fördermenge der externen Ölpumpe. Diese sitzt an der Motorrückseite und versorgt die Lager von Kurbelwellen und Pleueln sowie die Kolben mit dem Schmierstoff. Der Ölpumpenantrieb erfolgt über Zwischenräder vom Primärtriebzahnrad aus. Die Schmierung von Getriebe und Stirnrädern unterm rechten Motordeckel übernimmt dagegen eine Trochoidenpumpe mit eigenem Kreislauf über den Getriebeölsumpf. Ungewöhnlich auch die Gemischaufbereitung durch die vier nach außen gedrehten 26er-Mikuni-Jet-Vergaser.

Checkpunkte
Wer sich eine RD 500 zulegen möchte, dem sei dringend die Unterstützung eines erfahrenen Spezialisten angeraten. Der Zweitakt-V4 ist nämlich ein Sensibelchen, dessen komplexe und ausgesprochen schwierig abzustimmende Technik nach einer kundigen Hand verlangt. So alle 1000 bis 1500 Kilometer empfiehlt sich ein routinemäßiger Check von Öl- und Benzinleitungen sowie den Zündkerzen. Auch das exakte Zusammenspiel der vielen Seilzüge von Vergasern und Auslasssteuerung sollte dabei überprüft werden. Finger weg also bei RD 500 mit erkennbarem Wartungsstau oder unklarer Historie, zumal die Ersatzteilsituation bei einigen Komponenten mittlerweile angespannt ist.

Markt
Die Preise kennen nur eine Richtung: nach oben. Ordentliche RD 500 gibt es kaum noch unter 7000 Euro, originale Topexemplare bewegen sich im fünfstelligen Bereich.

Internet
www.rzrd500.com
www.zweitakte.de

Daten (Typ 47X)
Motor: Wassergekühlter Vierzylinder-Zweitakt-50-Grad-V-Motor, Getrenntschmierung, Einlass durch Membrane, Auslass durch Power-Valve-System gesteuert, Hubraum 499 cm³, 65 kW (88 PS) bei 9500/min
Kraftübertragung: Mehrscheiben-Ölbadkupplung, Sechsganggetriebe, Kettenantrieb
Fahrwerk: Doppelschleifenrahmen aus Stahl, Telegabel vorn, Ø 37 mm, Zweiarmschwinge aus Kastenprofilen, Zentralfederbein, Alu-Gussräder, Reifen 120/80 V 16 vorn, 130/80 V 18 hinten, innenbelüftete Doppelscheibenbremse vorn, Ø 267 mm, Festsattel, Scheibenbremse hinten
Maße und Gewicht: Radstand 1375 mm, Gewicht vollgetankt 216 kg
Vmax: 223 km/h

Stärken und Schwächen auf einen Blick

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Welche für wen? Die Stärken und Schwächen auf einen Blick.

Uli Holzwarth, über die Honda VF 500 F II
Vor vielen Jahren bin ich mal eine VF 500 F II gefahren - und war begeistert. Daran hat sich nach der ersten Ausfahrt mit meiner VF nichts geändert. Klasse, wie agil die Honda heute noch fährt, mit welcher Rasanz der ganz eigenständig klingende V4 durchs Drehzahlband kurbelt. Für mich einer der unterschätztesten Youngtimer.

Manuel Wahl, über die Yamaha RD 500 LC
Die RD 500 ist ein absoluter Meilenstein, der eigentlich in keiner Sammlergarage fehlen sollte. So einen V4-Zweitakter wird es nie mehr geben. Jedes mal, wenn ich sie aus der Garage hole, ist es wie eine Zeitreise. Und ich habe wieder vor Augen, mit welcher Begeisterung die RD damals aufgenommen wurde. Einfach herrlich!