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Rheinland-Pfalz & Saarland Geplatzter Traum

Meeresfische treiben Völklingen in den Ruin

Der Traum von Meeresfisch aus dem Saarland ist ausgeträumt - der Verkauf der Anlage zur Aquakultur in Völklingen ist besiegelt (Archivfoto) Der Traum von Meeresfisch aus dem Saarland ist ausgeträumt - der Verkauf der Anlage zur Aquakultur in Völklingen ist besiegelt (Archivfoto)
Der Traum von Meeresfisch aus dem Saarland ist ausgeträumt - der Verkauf der Anlage zur Aquakultur in Völklingen ist besiegelt (Archivfoto)
Quelle: dpa
Meeresfische aus dem Saarland: Der Traum der früheren Stahl-Stadt Völklingen, mit Fischzucht Geld zu verdienen, ist geplatzt. Jetzt soll ein Schnitt gemacht, die Anlage verkauft werden.

Mit mehr als einem blauen Auge endet für Völklingen der Traum, mit Meeresfischen statt mit Stahl Geld zu verdienen. An diesem Dienstag (9. Juni) soll der Verkauf der Zuchtanlage besiegelt werden. Ein privates Investoren-Konsortium will das Unternehmen kaufen – nach Informationen zum Schnäppchenpreis von gut zwei Millionen Euro. Damit bekommt die mit dem Niedergang der Stahlindustrie verarmte Kommune aber nur etwa ein Zehntel ihrer Kosten zurück. Die Stadt bleibt auf einem hohen Schuldenberg sitzen.

Die Geschichte des Ende 2007 auf dem Weg gebrachten ehrgeizigen Projekts, das Gelände einer ehemaligen Kokerei lukrativ und zukunftsweisend zu nutzen, ist die von Pleiten, Pech und Pannen: Private Partner gehen insolvent, der Bau verzögert sich, die Kosten steigen, die Stadt springt mit Bürgschaften und Krediten ein. Am Ende sind die Stadtwerke alleiniger Anteilseigner.

Erst 2013 – mehr als zwei Jahre später als geplant – können die ersten kleinen Störe und Doraden eingesetzt werden. Ein gutes Jahr später werden die ersten Fische geerntet. Doch nur ein Bruchteil der Fische werden verkauft. Der Deutsche Steuerzahlerbund nennt die Anlage als Beispiel für eine „glatte Fehlinvestition“ einer Kommune, Geschäftsführer Jochen Dahm, ein ehemaliger Bürgermeister, muss gehen. Zu allem Überfluss sterben 30 Prozent der eingesetzten Störe – vermutlich an einer Viruserkrankung.

Stadtwerke bleiben auf Schuldenberg sitzen

Am Ende des Winters 2015 zieht der Völklinger Stadtrat die Reißleine: Verkauf bis Ende Juni oder Liquidation des Unternehmens. „Eine Fehlentscheidung“, findet der Völklinger Oberbürgermeister Klaus Lorig (CDU). Denn dadurch kommen die Verkäufer unter Druck: Viele Interessenten hätten gerade mal einen Euro geboten.

Nach zähen Verhandlungen wollen die Käufer jetzt nach Informationen immerhin 2,2 Millionen Euro geben. Auf den restlichen Schulden, die für den Bau und den Betrieb der Meeresfischzucht aufgewendet wurden, bleiben die Stadtwerke sitzen. Der Bau (Investitionskosten: 16,5 Millionen Euro) und der Betrieb der Anlage werden auf mehr als 20 Millionen Euro geschätzt.

Der Verkauf zum 1. Juli soll am Dienstag beim Notar besiegelt werden, wie Anwalt Udo Gröner berichtete. Für den Käufer kann sich der Deal durchaus rechnen. Die Zucht von Salzwasserfischen im Binnenland ist nach Einschätzung von Experten angesichts der Überfischung der Meere ein Weg für die Zukunft, betont Berater Johannes Weber.

Fisch dreimal teurer als Import aus den Weltmeeren

Auch jetzt schon sei mit vergleichsweise teuren Fischen durchaus ein Geschäft zu machen – zumal der künftige Betreiber nicht die Millionen-Kredite bedienen müsse. „Der Markt ist vorhanden“, sagt der Experte. Gescheitert sei das Projekt vor allem an der fehlenden Vertriebs- und Marketingstrategie. Denn der Verbraucher muss davon überzeugt werden, warum er für eine Dorade aus Völklingen dreimal mehr zahlen soll als für eine Meeres-Dorade etwa aus Griechenland.

Für die Stadt ist die Geschichte mit dem Verkauf noch nicht zu Ende. Der Stadtwerke-Holding, die die rund 40 000 Bürger vor allem günstig mit Wasser, Strom und Gas versorgen soll, droht nicht zuletzt wegen ihres Engagements in der Fischzucht die Zahlungsunfähigkeit. Derzeit verhandelt sie mit der Landesbank Saar LB über frisches Geld. Die mehr als 200 Stadtwerker bangen um ihre Arbeitsplätze.

Ein politisches Nachspiel hat das Ganze allemal. Die Linken im Völklinger Stadtrat haben wegen Vertrauensverlusts die Abwahl von Oberbürgermeister Lorig beantragt. Und ein Untersuchungsausschuss im Landtag prüft derzeit unter anderem, warum die Kommunalaufsicht des Innenministeriums das waghalsige Projekt nicht gestoppt hat. Zuständige Ministerin war bis 2008 die heutige Regierungschefin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU).

dpa/tro

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